Patrick Lingenberg: Die Voss-Maschinenfabrik in Köln-Ehrenfeld
Patrick Lingenberg: Die Voss-Maschinenfabrik in Köln-Ehrenfeld
In den Anfangsjahren wurden hier unter eigenen Patenten Spezialartikel für Dampfmaschinen, wie etwa Expansionsregulierapparate zur Steuerung des Dampfdrucks, produziert.
Bereits 1888 gingen die Partner getrennte Wege und Fritz Voss übernahm die Ehrenfelder Fabrik. Er erweiterte seine Produktion um Dampfmaschinen und Verbrennungskraftmaschinen. Als nach der Jahrhundertwende die vordringende Elektrifizierung deren Absatz beeinträchtigte erweiterte er erneut sein Produktionsprogramm, diesmal um Sauggasanlagen, Pumpen und Kompressoren, bis hin zu Aufzügen, Kränen und Elektromotoren. Insbesondere im Bau von vielgestaltigen, (meist mehrmotorigen) Kränen jeglicher Art war die Firma zu Beginn der 1930er Jahre marktführend in Köln. Die in Reihe gestellten, langen Fabrikhallen erstreckten sich ehemals vom Ehrenfeldgürtel bis hin zur Hansemannstrasse. (Damals Eisenbahnstraße und Jakobstraße). Auf der dem Bahnverlauf zugewandten Seite befand sich, direkt an die Produktionshallen anschließend, wie damals oft üblich, das Wohngebäude des Unternehmers.
Die stirnseitigen Fassaden sprangen vom Wohngebäude aus stufenweise zurück, sodass sich auf der Seite des Ehrenfeldgürtels (der ehemaligen Eisenbahnstraße) eine vorplatzartige Eingangssituation ausbildete. Die Werkshallen grenzten direkt an die damals noch ebenerdig verlaufenden Bahngleise der Köln-Aachener Bahnverbindung.
Die auffälligste Veränderung beim Vergleich der baulichen Struktur von damals mit den erhaltenen Strukturen heute, ist die - wohl durch Kriegszerstörungen erfolgte - enorme Verkleinerung des Fabrikhallenkomplexes. Nicht einmal die Hälfte der ursprünglichen Längenausdehnung ist heute noch vorhanden.
Die Maschinenfabrik Voss war dem gravierenden Strukturwandel der 1970er/1980er Jahre unterworfen und da das Unternehmen nie in Serie fertigte, konnte sie keine hohen Stückzahlen erreichen und wurde so 1990 von der Kalker Stalvoss GmbH in Köln-Kalk übernommen und erlosch. Kurz darauf wurden die von da an brachliegenden Fabrikbauten von der Firma „Balloni“ (Firma für Dekorationen und Veranstaltungen) übernommen, um sie für eine neue Nutzung herzurichten und auszubauen. Seit 1996 bietet „Balloni“ in einer der Hallen ein kunterbuntes Sortiment an Dekorations- und Geschenkartikeln zum Verkauf an. Eine weitere Halle wird auf zwei Ebenen für Veranstaltungen aller Art genutzt.
Vor dem Einzug der Firma Balloni in die alten Kranbahnhallen 1996, standen weitreichende Umbaumaßnahmen nach Plänen des Architekturbüros „RüdigerArchitekten“ aus Braunschweig an. Im ersten Bauabschnitt begann man mit der Umgestaltung der größten der drei Hallen sowie der Nebengebäude in ein weitläufiges Ladenlokal nebst Büros. Nach geschäftlich erfolgreichem Start wagte man sich zwei Jahre später auch an den Umbau der zwei übrigen Hallen in ein multifunktionales Ausstellungs- und Veranstaltungszentrum sowie den Neubau eines Eingangs- und Küchentraktes.
Im Einzelnen gliedert sich der Balloni-Komplex heute in folgende Einheiten:
Das Dekorations- und Veranstaltungs-Ensemble ergänzt der BALLONI-FLORISTIK-SHOP. Gelegen im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes, sorgt er für zusätzliche Belebung des kleinen Innenhofes.
Die große, fast schon kathedralhaft wirkende und wohl prägnanteste Fassade am Ehrenfeldgürtel, spiegelt die Proportion des dahinter liegenden Baukörpers beeindruckend wider. Sie weist eine dezente aber prägnante Ornamentik auf. Die beiden großen Bogen-Fenster wurden zur klimatischen Verbesserung des Innenraums als Kastenfenster ausgeführt, wodurch die Anschaulichkeit der Fassade von Außen bewahrt wird. Gelbliche, bzw. helle Feldbrandziegel setzen sich von dunkleren, Roten sowohl farblich als auch plastisch ab. Diese schlichte gemauerte Ornamentik ist typisch für die Industriebauten dieser Zeit und Region.
Der gläserne Anbau auf der linken Seite der großen Fassade umhüllt das Fluchttreppenhaus und will sich genau wie der große gläserne Anbau zur Rechten in seiner Materialität und Formensprache klar vom historischen Bestand absetzen. Letzteren dominieren große Sonnenschutzlamellen.
Die schmalen Lichtschlitze unterhalb der beiden Bogenfenster sind ebenfalls ihrer Materialität und Form nach als eindeutig neue, nachträglich eingefügte Bestandteile erkennbar. Zieht man historisches Bildmaterial hinzu, fällt auf, dass sie ein nunmehr verschwundenes Eingangsportal nachzeichnen. Die vom neuen Glaskubus verdeckte, zurückspringende, “zweite” Fassade wurde insofern erhalten, als dass sie nun den Innenraum des gläsernen Anbaus “schmückt”.
“...Die Bauherren und Architekten zielten weniger auf eine optische Veredelung oder die Schaffung eines starken Kontrastes zwischen Alt und Neu ab. Vielmehr sollten neue Gebäudeelemente der ursprünglichen Rauheit der Industriearchitektur folgen und den nicht denkmalgeschützten Bestand mit einfachen und modernen Mitteln fortschreiben. Wieder verwendete Bauteile, wie Stahlunterzüge, Ziegelsteine, Kranbahnen oder Lampen, erzeugen dabei den erwünschten “archaischen” Rahmen. Im Zusammenspiel mit den ebenfalls robusten, neuen Elementen aus Sichtbeton oder Glas, entstanden für wechselnde Dekorationen nutzbare, “omnipotente Hüllen” mit individueller und zeitgenössischer Gestalt. Dabei sehen die Bauherren im Entwurf einen Aufbruch, der das Bestehende nicht als Pflegefall behandelt, sondern respektiert und zu nutzen weiß....” (Selbstdarstellung Fa. Balloni).
Zugleich sollte das Unternehmen durch seine Verflechtung mit der existierenden Infrastruktur zu einem integralen Bestandteil des Quartiers werden und nebenbei für eine Aufwertung des Stadtteils sorgen. Eine (erhoffte) Torfunktion etwa ergibt sich bisher nur gegenüber Bahnreisenden, die sich von Westen nähern und zwangsläufig auf den Umbau aufmerksam werden. Um einen ähnlichen Effekt für den quer zur Zugstrecke verlaufenden, vernachlässigten Ehrenfeldgürtel zu erzielen, bedürfte es eines baulichen Gegenstücks jenseits der Straße. Dies allerdings könnte – wie sich auch die Balloni-Macher wünschen - ein prominentes Gebäude wie etwa ein neues Bezirksrathaus an dieser Stelle werden.
Sollte man die nun angestrebte Sanierung der Bahnbögen ebenfalls realisieren, ließe sich tatsächlich der Kern der Ehrenfelder Mitte verlagern, und die Engpässe im Viertel würden entlastet. Vergessen darf man dabei allerdings nicht, dass die ehemaligen Hallen nunmehr in erster Linie Ladenlokal, darüber hinaus dann Veranstaltungsort sind, und das in beiden Fällen als nicht-öffentliche Einrichtung....” (Selbstdarstellung Fa. Balloni).
“...Zwar ist für einen Stadtteil „in Zeiten leerer Kassen“ kaum etwas erfreulicher als engagierte und investitionsfreudige Bürger. Nur: In Bezug auf den öffentlichen Raum können dabei schnell Missverständnisse aufkommen. So kann manch private Einrichtung vorzeitig Errungenschaften vortäuschen, wo öffentlicher Raum gar nicht gewonnen wurde. Dem Projekt ist das nicht vorzuwerfen, im Gegenteil – es profitiert davon. Und es kommt hinzu, dass dieses privat-finanzierte Projekt aus wirtschaftlichen Gründen eher zahlungskräftigen Gästen zur Verfügung steht. Die Gestaltung öffentlichen Raums jedenfalls steht hier weiterhin aus...” (Selbstdarstellung Fa. Balloni).
Im Zuge des Umbaus ist es weitestgehend gelungen die Anschaulichkeit der alten Hallen sowohl im Inneren, wie auch von außen zu bewahren und zudem mit einer neuen, sinnvollen Nutzung zu beleben.
Kleinteilige Büroräume im Inneren des Balloni-Shops beispielsweise, integrieren sich derart in die historische Raumdisposition, dass die Anschaulichkeit des großzügigen Innenraumes kaum gestört wird.
Und Kompromisse zwischen den Interessen des Bauherren und denen der Denkmalpflege mussten mit Sicherheit noch an mehreren Stellen eingegangen werden. So ist von der ehemaligen Straßenfassade am Ehrenfeldgürtel auf Grund des gläsernen Anbaus nur ein kleiner Teil im Straßenbild wirksam geblieben. Das Schließen der Raumkante an dieser Stelle verbaut den Blick auf den Rest der alten Fassade.
Zugute halten kann man den Umbaumaßnahmen aber wiederum, dass gerade im Detail behutsam mit dem Bestand umgegangen wurde. So wurden die Backsteinwände nicht zu aggressiv gereinigt und ein gewisses Maß an Patina blieb erhalten.
Im städtische Kontext könnte man die Umnutzung der Fritz Voss Hallen außerdem auf einen weiteren Aspekt ausweiten: Neben dem Effekt, durch den Erhalt der Hallen ein Stück weit Geschichte konserviert zu haben, zeigt eben diese Umnutzung sinnbildlich den fortlaufenden Strukturwandel des Stadtteils. Die neue Nutzung kommt schließlich nicht von ungefähr. Die Nachfrage forderte dazu heraus.
Allgemein resultiert aus der Umnutzung historischer Bausubstanz ein beidseitiges Profitieren. Zum einen ist eine Umnutzung bestehender Gebäude für den Bauherren oftmals bedeutend kostengünstiger als die Neubauvariante. Zum anderen trägt die spezielle Atmosphäre solcher Industriebauten zur Attraktivitätssteigerung und teils auch zur Image-Bildung der Unternehmen bei. Bei letzterem Effekt profitiert der Kunde von der indirekten Geschichtsvermittlung. Dem Argument, dass selbst eine reduziert anmutende Umbaumaßnahme offensichtlich derart kostenintensiv ist, dass eine Nutzung aus wirtschaftlichen Gründen vor allem zahlungskräftigen Gästen zur Verfügung steht, steht ein anderes Argument gegenüber: Nämlich das der öffentlichen Zugänglichkeit und der damit verbundenen Geschichts- und Kulturvermittlung. Eine historisch wertvolle Bausubstanz wird der Öffentlichkeit in stärkerem Maße zugänglich gemacht, bei der Einrichtung einer zumindest teilweise öffentlich zugänglichen Nutzung, als es eine wieder belebte, industriell produzierende Nutzung erlauben würde. Und dies obwohl letztere, aus denkmalpflegerischer Sicht, die eigentlich sinnvollste Umnutzung, also Weiternutzung darstellt.